Gestern Abend wurden im Berlinale Palast, dem Theater am Potsdamer Platz, die Bären vergeben. 1600 geladene Gäste waren anwesend, unter ihnen Filmemacher, Schauspieler und auch ein wenig Prominenz. Die Zeremonie war eine schmerzhafte und schmerzlose zugleich. Schmerzhaft daran war unter anderem der Eindruck, dass die Berlinale bei solchen Anlässen eher eine ungelenke Figur macht. Meilenweit scheinen Selbstbewusstsein und Glanz der Veranstaltung entfernt von dem der Oscars, aber auch von dem von Konkurrent Cannes. Dieter Kosslick hatte einige Schwierigkeiten, sein Walten auf der Bühne zu koordinieren. Er wirkte hölzern und schien schlecht vorbereitet. Einmal musste er sogar von der Bühne geführt werden, als er vom Protokoll verlassen da stand und hilflos um sich schaute. Aber die Zuschauer nahmen dies mit Humor. Moderatorin Anke Engelke versuchte dem Abend etwas Selbstironie beizumengen, was stellenweise sogar gelang.
Schmerzlos war die Veranstaltung vor allem deshalb, weil man sich schickte und die Sache in weniger als einer Stunde zu Ende brachte. Eher lakonisch dankte man Sponsoren und Förderern, wie es sich gehört. Die Preisentscheidungen waren auch insofern schmerzlos, als dass sie den Erwartungen treu blieben. Jurypräsidentin Isabella Rossellini betonte, dass alle Entscheidungen „in agreement“ getroffen wurden. Das iranische Drama „Jodaeiye Nader az Simin“, haushoher Favorit, gewann gleich drei Bären: den Goldenen für den besten Film sowie zwei Silberne für den besten Schauspieler und die beste Schauspielerin, die jeweils an alle Männer und an alle Frauen im Film gingen. Das Team nahm die Preise mit aufrichtiger Dankbarkeit entgegen. Regisseur Asghar Farhadi sagte, es ginge auch beim Filmemachen darum, in einer schwierigen Situation das bestmögliche zu kreieren. Für diese Leistung zollte man großen Respekt.
Den großen Preis der Jury bekam „A torinói ló“ („The Turin Horse“) vom ungarischen Regisseur Béla Tarr. Der Alfred-Bauer-Preis für neue Perspektiven in der Filmkunst ging an „Wer wenn nicht wir“ von Andres Veiel. Eine verdiente Auszeichnung für den inspirierenden Film. Erfreulich war auch die Wahl der Jury für den Silbernen Bären „für eine herausragende künstlerische Leistung“. Er ging an Wojciech Staron für die Kamera und an Barbara Enriquez für Production Design im wunderbaren „El Premio“ von Paula Markovitch, der mit Unterstützung des World Cinema Funds zustande kam.
[nggallery id=270]
Was bleibt nach diesem Festival? In jedem Fall viel Euphorie über die sehr zahlreichen, wirklich guten Filme. Das Sehen wird ein anderes im Laufe des Festivals und bringt einen näher an die Kultur und die Seele manch eines Landes heran, als es oft eine Reise dorthin fertig bringt. Es bleibt ein Gefühl der Verbundenheit zu den Menschen und ihren Geschichten. Letztlich ist ein Festival wie die Berlinale zwar ein riesengroßer Zirkus, der den roten Teppich braucht und viel Trommelwirbel um sich selbst macht. Aber was es erreicht, ist das, wovon jeder Filmemacher träumt, nämlich dass die Menschen sich für ihre Werke interessieren, dass sie bereit sind, Zeit in etwas Gutes zu investieren. Auch wenn es oft vor allem darum geht, „dabei gewesen“ zu sein, ist das, was dann tatsächlich im Kinosaal passiert, heilig und unantastbar. Das Medium und der Zuschauer in innigster Vertrautheit, geschützt durch vier Wände und die Dunkelheit. Hier liegt das Herz aller Filmkunst.
Artikelbilder > Goldener Bär für den Besten Film: Jodaeiye Nader az Simin | Nader And Simin, A Separation, Foto: Andreas Teich © Berlinale 2011Alle Galeriebilder © Berlinale 2011
Text > Pascal Dasinger
